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BLIND-Zeitung vom 10. Oktober 2004

Proleten statt Moneten

"Rathaus-Buben" auf den Spuren von Mainz 05

Von der Fachwelt bisher unbemerkt, hat sich im Herzen von Trier eine Mannschaft gefunden, die die bisherige Hierarchie im Uni-Fußball gehörig durcheinanderwirbeln könnte. Entstanden aus einem Street-Soccer-Programm für benachteiligte Jugendliche unter den Fittichen des bekannten Trierer Sozialpädagogen M. Binder - in der Szene bekannt als der "Holzmichel" -, ist im Verborgenen ein Fußballteam gereift, das am 6. Oktober mit einem spektakulären Auftritt für Furore sorgte. Auf ihrem Trainingsplatz vor dem Rathaus zwischen Parkplätzen und Hochbunker traten die "Rathaus-Buben" bei einem Benefiz-Spiel zu Ehren des nach Ostfriesland abgewanderten Altbuben Katsche Kreutz ("Herberti und Ulibert haben mir ein Abschiedsspiel verweigert!") erstmals mit herzerfrischendem Angriffsfußball vor die Augen der überraschten Öffentlichkeit.
Die Mannschaft setzt sich zusammen aus jungen aufstrebenden Kräften aus Luxemburg und dem Saarland sowie aus einheimischen Talenten, deren Potential von der bornierten und ignoranten Vereinsführung von Herbertis Buben nicht erkannt wurde. Statt dem eigenen Nachwuchs eine Chance zu geben, hat der etablierte Tarforster Historikerclub

in den letzten Jahren einseitig auf ausländische Profis gesetzt, die Trier nur als Sprungbrett für eine Karriere bei echten Spitzenclubs nutzten. Bestes Beispiel: Alison R.
Bestes Gegenbeispiel: Diego Armando Multrusdonna. Nach einigen Probetrainings bei den Buben als angeblich zu ballverliebtes Weichei geschmäht, hat er bei den "Rathaus-Buben" eine sportliche Heimat gefunden und sich zum Spielgestalter mit dem Kämpferherz am rechten Fleck entwickelt. Oder Benny Lacoeur, bei den Buben von Alison R. als Außenstürmer verdrängt, ist er für sein neues Team Luis Figo und Roberto Carlos in einer Person.
Buben-Manager Ulibert mußte sich bei seiner Stipvisite am Spielfeldrand harte Nachfragen der Presse anhören: Wieso hat man solche Nachwuchstalente einfach ziehen lassen? Letztlich blieb ihm nur die Flucht mit dem Wagen seines eigenen Nachwuchses. Katsche Kreutz, für einen Tag zum Ehrenspielführer der "Rathaus-Buben" ernannt, zeigte sich ungewohnt sentimental: "In diesem Team hat der Fußball seine Seele wiedergefunden. Football's coming home. Hier ist er wieder, was er sein sollte: ein Sport von Proleten für Proleten!"

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